Spider-Man lebt in Bayreuth
An der Universität Bayreuth erforscht Prof. Dr. Thomas Scheibel die erstaunlichen Eigenschaften von Spinnenseide. Dass sie sich für Implantate besonders gut eignet, steht bereits fest. Auch die Industrie ist interessiert am „Bio-Stahl“.
Turnschuhe, Brustimplantate, Gesichtscreme, Feinstaubfilter – die Anwendungsgebiete für das innovative High-Performance Material sind unzählig.
„Spinnenseide hat einfach großartige Eigenschaften“, sagt Prof. Dr. Thomas Scheibel, Inhaber des Lehrstuhls Biomaterialien an der Universität Bayreuth, der die Methode zur industriellen Produktion des Wundermaterials erfunden hat. Er zählt auf:
„Hohe Reißfestigkeit, hohe Dehnbarkeit, sie ist recyclebar, hypoallergen und entzündungshemmend.“
Das macht Spinnenseide auch attraktiv als chirurgisches Nahtmaterial, für Wundverbände, Schutzkleidung, Airbags, Spezialseile, sogar für die Leder- und Textilveredelung.
Die Seidenfasern der Spinne zeichnen sich durch eine in der Natur unübertroffene Fähigkeit aus: Trotz ihrer Leichtigkeit sind sie fünfmal fester als Stahl, und die Fasern lassen sich auf 140 Prozent ihrer Länge dehnen, ohne dass sie zerreißen. Umso stärker ist seit langem das Interesse, diese außergewöhnlichen Eigenschaften für industrielle Anwendungen zu nutzen. Doch Spinnen produzieren nur geringe Mengen von Seidenfasern, und eine Massenhaltung der Tiere auf großen „Spinnenfarmen“ würde an ihrem kannibalischen Verhalten scheitern. Mehr dazu in diesem Video bei Bloomberg.
In langjährigen Forschungsarbeiten hat Thomas Scheibel daher ein biotechnologisches Verfahren entwickelt, mit dem Spinnenseidenproteine im Industriemaßstab hergestellt werden können – und zwar ganz ohne den Einsatz von Tieren. Dabei wird die genetische Ausstattung von E.coli-Bakterien im „Fiberlab“ an der Universität Bayreuth so verändert, dass diese von selbst die Proteine herstellen, aus denen sich die Fasern der Spinnenseide zusammensetzen. „Das genmanipulierte E.coli-Bakterium eignet sich hervorragend als Seidenfabrik“, erklärt Scheibel. In einem technisch anspruchsvollen Prozess werden die Proteine dann zu künstlichen Fasern verarbeitet, die dem natürlichen Vorbild in nichts nachstehen. Begonnen hat Scheibel 2001 mit dieser Forschung an der TU München, vor elf Jahren gründete er mit Partnern die Firma AMSilk. Sie nutzt heute das mittlerweile patentierte Verfahren, um große Mengen der Seidenfasern zu produzieren und zu vermarkten.
Scheibel wechselte 2007 nach Bayreuth, denn
„die Universität Bayreuth hat die einzigartige Kombination aus hervorragenden Proteinforschern und Polymerexpertise und ist darin führend in Deutschland. Dies im Zusammenhang mit meinem Wechsel von der Chemie zu den Ingenieuren und in Verbindung mit einer Campus-Uni war eine einzigartige Chance, das Thema Spinnenseide, das Protein-,Polymer- und Ingenieur-Expertise benötigt, voranzubringen."
Unter diesen Rahmenbedingungen entwickelt Thomas Scheibel in Bayreuth die Anwendungsmöglichkeiten weiter. Adidas nutzte seine Spinnenseide bereits für einen Turnschuh-Prototypen, Staubsaugerbeutel sollen mit Spinnenseide beschichtet die Saugleistung des Geräts erhöhen, derzeit wird in einer klinischen Studie getestet, was sich im Labor bereits abzeichnete: dass Brustimplantate mit Spinnenseide-Beschichtung besser verträglich sind. Und zusammen mit Prof. Dr. Felix Engel von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg entwickelt Scheibel sogar künstliches Herzmuskelgewebe auf Basis von Spinnenseide.
„Ich habe gelernt, dass kurze Wege zu den Partnern wichtig sind - je weiter eine Firma kilometermäßig entfernt ist, desto schwieriger ist es, neue Produkte zu entwickeln, da oftmals schnelle inhaltliche Austausche und persönliche Treffen nötig sind.“
Die Metropolregion ist für Thomas Scheibel gerade in Bezug auf Industriekooperationen daher ein gutes Umfeld.
Titelbild: UBT/Rennecke
Beitragsbild: Prof. Dr. Thomas Scheibel Inhaber des Lehrstuhls Biomaterialien an der Universität Bayreuth (l.) mit Sam Handy, Vicepresident Design Adidas Running (r.), auf dem DLD Campus 2017 an der Universität Bayreuth. (Foto: UBT/Kolb)
Text: Anja Meister