#Ökosystem Innovation: „Eier, wir brauchen Eier Was es wirklich braucht, um erfolgreiche Innovationen zu entwickeln“ – ein Gastbeitrag von Felix Kranert
Felix Kranert im Gastbeitrag: Warum wir Mut, Konsequenz und Durchhaltevermögen benötigen. Drei Themen, die nicht nur im Sport, sondern auch in der Wirtschaft zu unzähligen Misserfolgen führten und weiterhin führen.
Am 01.11.2003 bringt es Oliver Kahn, die Torwart-Legende des FC Bayern München, nach einer 0:2 Niederlage gegen den FC Schalke 04 schonungslos auf den Punkt: „Eier, wir brauchen Eier“. Geantwortet hat der „Titan“ damit auf die Frage von Sportkommentator Tom Bartels, der ihn nach der vermeintlich fehlenden Erfolgskomponente gefragt hat. Oliver Kahn spielte mit seiner Aussage sehr plakativ darauf an, dass es der Mannschaft an Mut, Konsequenz und Durchhaltevermögen fehlte, um das Spiel für sich zu entscheiden. Drei Themen, die nicht nur im Sport, sondern auch in der Wirtschaft zu unzähligen Misserfolgen führten und weiterhin führen.
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Ein besonders tragisches Beispiel aus dem unternehmerischen Umfeld ist die Firma Kodak. Mehr als ein Jahrhundert lang war Kodak der Inbegriff von analoger Fotografie. Weltweit berühmt wurde das Unternehmen vor allem mit den Kodak-Filmrollen, die über Jahrzehnte in jedem Haushalt zu finden waren. Die digitale Revolution führte den Konzern dann allerdings in die Pleite. Besonders tragisch: Kodak selbst hatte die erste Digitalkamera entwickelt. Das Management konnte allerdings nicht den Mut aufbringen, an diese neue Technologie zu glauben. Die Chance, die digitale Fotografie auf den Markt zu bringen, wurde versäumt und damit auch der zukünftige Unternehmenserfolg. In weiterer Folge nahm der Bedarf an analogen Fotografie-Produkten weiter ab, was zur Einreichung eines Insolvenzantrages im Januar 2012 und einem Verkauf des Kerngeschäftes im Jahr 2013 führte. Neben Kodak könnten hier hunderte Beispiele aufgelistet werden, die zwar weniger prominent sind, die aber ein vergleichbares Schicksal ereilte.
Mut und Durchhaltevermögen führen zur Erreichung langfristiger Ziele
Wie aber sollten Unternehmen vorgehen, wenn neue Technologien das bisherige Geschäftsmodell hinfällig machen? Wie findet man die richtige Balance zwischen alter und neuer Welt? Schließlich müssen die Transformationsprozesse noch vom alten Geschäftsmodell finanziert werden. Antworten auf diese Fragen liefert die Geschichte des amerikanischen Unternehmens Netflix. 1997 wurde das Unternehmen unter dem Namen „Kibble“ gegründet und bot zum Start einen Service für den Verleih von Videofilmen per Post an. Nachdem das Unternehmen bis 2003 ausschließlich Verluste erwirtschaftete, wurden 2007 etwa 40 Millionen Dollar in neue Server-Technik investiert. Mit dem Fortschritt der Computertechnologie und dem flächendeckenden Ausbau des Internets trieb das Unternehmen von diesem Zeitpunkt an, die eigene Neuerfindung voran. Der erste entscheidende Schritt in der Transformation des Angebotes: Zusätzlich zum bestehenden Angebot ermöglichte das Unternehmen seinen Kunden ohne Mehrkosten, neben den bisherigen Leistungen, Inhalte auch online zu konsumieren. 2011 folgte der nächste Schritt, um die Digitalisierungsstrategie konsequent voranzutreiben. Die Abonnements für die Vermietung von DVDs und des Streamings wurden getrennt. Als zusätzlichen Anreiz für die Kunden, sich für das digitale Angebot zu entscheiden, wurde das Streaming-Angebot preislich attraktiver gestaltet. Zudem wurde der „altmodische“ DVD-Plan in den Service „Qwikster“ überführt. Mit diesem Schritt hat das Unternehmen zwar den potenziellen Verlust von Kunden in Kauf genommen, sich dafür aber einen wichtigen Meilenstein in der Transformation erkauft und damit seine langfristigen Strategieziele über die kurzfristigen Umsatzziele gestellt.
Laut aktuellen Statistiken hat das Unternehmen im zweiten Quartal 2021 mehr als 7,34 Milliarden US-Dollar umgesetzt (Quelle: Statista). Vermutlich würde es Netflix heute nicht mehr geben, wenn die Streaming-Möglichkeit von Filmen und Serien ignoriert worden wäre.
Das Spiel endet nicht nach 90 Minuten
Weder der Untergang von Kodak, noch der Aufstieg von Netflix wurde an einem einzigen Tag besiegelt. Denn anders als beim Fußball ist das „Spiel“ in der Wirtschaft nicht nach 90 Minuten zu Ende. Wir haben täglich die Chance, es besser zu machen. Eine Strategie nachzujustieren oder eine falsche Entscheidung zu korrigieren. Wichtig dafür ist allerdings, dass wir mit unseren Misserfolgen und Niederlagen richtig umgehen.
Der Umgang mit Fehlern spielt sich immer auf zwei Ebenen ab: der sachlichen und der emotionalen. Auf der Sachebene ist es wichtig, Transparenz zu schaffen. Was hat zu dem Fehler geführt? Welche Aktion war der wirkliche Auslöser für den Fehler. Es geht nicht darum, eine schuldige Person zu benennen. Es geht ausschließlich darum, die Ursache herauszufinden, um daraus zu lernen und eine Wiederholung zu vermeiden. Um unnötigen emotionalen Gefechten vorzusorgen sollten Führungskräfte versuchen, die Diskussion um einen Fehler so schnell wie möglich von der emotionalen auf die sachliche Ebene zu verlagern. Der Fehler ist das Problem, nicht der Mensch, der ihn gemacht hat. Wer Mut und Innovation in einem Unternehmen fördern will muss dafür sorgen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihr Scheitern nicht an den Pranger gestellt werden, denn sonst wird sie der Mut verlassen, neue und unkonventionelle Wege zu gehen.