Kollege Roboter entwickelt Fingerspitzengefühl
Das Siemens Gerätewerk Erlangen (GWE) fertigt und entwickelt industrielle Steuerungen für Werkzeug und Produktionsmaschinen, Antriebe und Frequenzumrichter. In einem hochvarianten Markt mit bis zu 1.000 Produktvarianten hat das mehrfach preisgekrönte Werk am Europakanal durchgängig Digitalisierung und flexible Automatisierung eingeführt. Zum Einsatz kommen dabei digitale Zwillinge zu jedem Schritt in der digitalen Wertschöpfungskette.
Mit Leichtbaurobotik in den Fertigungslinien und dem Additive Manufacturing Experience Center, dem Kompetenzzentrum für industriellen 3D-Druck, ist das GWE die digitale Vorzeigefabrik der Siemens AG im Großraum Nürnberg.
Eine Herausforderung des Gerätewerks Erlangen ist die große Produktvielfalt bei mittleren Stückzahlen. In diesem Produktspektrum ist keine klassische Automatisierung möglich, eine rein manuelle Fertigung wäre sehr kostenintensiv. Daher haben die Fertigungsspezialisten im GWE gemeinsam mit innovativen Startups und dem Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) neue Ansätze für eine intelligentere und flexiblere Automatisierung entwickelt und umgesetzt. Dabei kommt „Kollege Roboter“ zum Einsatz.
Software für den Tastsinn
Klassischerweise wird zum Fügen von Bauteilen durch Roboter eine fixe Abfolge von Punkten im Ablauf programmiert. Doch was ist, wenn der Fügeprozess zum Verklemmen oder Verkanten neigt oder es sich um ein sehr filigranes Bauteil handelt? Zur Lösung dieser Problematik arbeitet das Geräte Werk Erlangen (GWE) mit dem ehemaligen Startup ArtiMinds zusammen. Die Software ArtiMinds RPS verleiht dem Roboter einen Tastsinn und ermöglicht dem Roboter quasi mit dem richtigen „Fingerspitzengefühl“ auch Bauteile zu fügen, die sonst zu empfindlich wären oder sich nicht für automatisierte Prozesse eignen würden. Sobald der Roboter spürt, dass das Bauteil nicht ordnungsgemäß in der Fügestelle ist, werden intelligente Such- und Montageroutinen unter Nutzung des Tastsinns eingesetzt, die eine präzise und effiziente Montage gewährleisten. Somit ist der Roboter selbst in der Lage, kleinste Elektronikbauteile wirtschaftlich und ohne Beschädigung auf der Platine zu platzieren.
Die Software wurde bereits in einem frühen Entwicklungsstadium an einem Prototypen getestet. Die Ergebnisse waren so überzeugend, dass die Zusammenarbeit mit ArtiMinds intensiviert wurde. Daraus ist sogar eine Entwicklungskooperation entstanden, um die Software in die Siemens Simulationssoftware Tecnomatix zu integrieren – ein Entwicklungsschub auch für das nunmehr als KMU agierende Jungunternehmen.
Diese Technologie ist dabei nur ein Beispiel für intelligente Lösungen, die von Siemens mit Partnern entwickelt wurden und direkt für die Optimierung der eigenen Fertigung eingesetzt werden. Mit einem übergreifenden, zusammen mit der FAU Erlangen-Nürnberg entwickelten Automatisierungsansatz wurde das Gerätewerk Erlangen sogar Finalist auf dem Technology Transfer Award des European Robotics Forums, der führenden Vereinigung für innovative Robotertechnologien in Europa.
Weitere Informationen gibt es unter www.plm.automation.siemens.com/global/de/