Faszination Reinraum am Fraunhofer IISB
Kevin Ehrensberger hat seine Ausbildung zum Mikrotechnologen am Fraunhofer IISB im September 2021 abgeschlossen. Mit seinen Kolleginnen Nadine Riek und Stefanie Schickedanz hat der ehemalige Nanotechnologie-Student eines gemeinsam: „Ich wollte auch mit meinen Händen arbeiten, etwas mit Bezug zur Realität machen.“ Das Wörtchen „auch“ ist in diesem Satz elementar. Um ihren Beruf auszuüben, tauchen Mikrotechnolog:innen sowohl theoretisch als auch praktisch ganz tief in die Mikro- und Nanostrukturen von Computerchips und Halbleiterbauelementen ein.
Stephanie Natzer, Ausbilderin am Fraunhofer IISB, erklärt, warum dieser abwechslungsreiche Beruf so viel Zukunft hat: „Mikrotechnologinnen und Mikrotechnologen wissen, wie man diese winzigen Wunderwerke herstellt und erleben praktisch in Echtzeit den technologischen Fortschritt mit.“
Als Mikrotechnolog:in gehört man zu einem exklusiven Club
Vom Handy über Batterieladesysteme und Autos bis hin zu Flugzeugen und Satelliten – die Digitalisierung und das Internet der Dinge beflügeln die Entwicklung immer leistungsfähigerer Bauelemente und Komponenten. Auch der Bedarf an effizient schaltenden Leistungsbauelementen für die Umformung elektrischer Energie wächst. Hier hat das Erlanger Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB einen seiner Schwerpunkte. Mit Forschung und Entwicklung zu Leistungselektronik, Halbleitertechnologie und Materialien unterstützt es wichtige Branchen wie Energietechnik, Photovoltaik oder E-Mobilität.
Sechs technische Abteilungen gibt es am Fraunhofer IISB. Nadine ist eine von aktuell sieben Mikrotechnologie-Auszubildenden und lernt gerade im Labor der Aufbau- und Verbindungstechnik AVT, wie elektronische Bauteile montiert und Leiterplatten bestückt werden. Die Online-Ausschreibung für den Ausbildungsplatz hatte spontan ihr Interesse geweckt. „Der Beruf ist noch jung. Danach sucht man nicht gezielt. Wir sind schon ein recht exklusiver Club“, erzählt Nadine. Gerade einmal 17 Lehrlinge aus ganz Bayern sitzen gemeinsam mit ihr in der Berufsschulklasse.
Mit ihrer Leidenschaft für Chemie erfüllte sie einen großen Teil des Eignungsprofils. Aber auch Mathe, Physik und Englisch sollten einem liegen. Vor dem Ausbildungsbeginn wusste Nadine nicht wirklich, was auf sie zukommt. „Ich finde es super, dass wir hier alle Abteilungen durchlaufen. In der Werkstatt lernen wir das Anfertigen von Werkstücken nach technischen Zeichnungen und im Reinraum erfahren wir alles über die Herstellprozesse für integrierte Schaltungen wie Lithografie, Ionenimplantation, Trocken- und Nassätzen, thermische Oxidation oder Metallisierung.“
Nicht nur sauber, sondern rein!
Die Abteilung Halbleiterbauelemente am Fraunhofer IISB hat verschiedene Schwerpunkte, unter anderem die Entwicklung von Sensorbauelementen und Leistungsbauelementen auf Basis von Silizium und Siliziumkarbid. Letztere sind schaltende Bauelemente, mit denen elektrische Maschinen zum Beispiel in E-Fahrzeugen angesteuert werden. In den Hightech-Reinräumen des Fraunhofer IISB kann das gesamte Prozessspektrum zur Herstellung von Bauelementen abgebildet werden. Teams aus verschiedenen Wissenschafts- und Ingenieursdisziplinen entwickeln hier für Kunden aus der Industrie ganzheitliche Lösungen, beginnend bei Design, Machbarkeitsstudien und Prototypenbau bis hin zum Fertigungsprozess. „Als Mikrotechnologe kümmere ich mich dabei um die Durchführung und Kontrolle der Herstellprozesse“, erklärt Kevin.
Er arbeitet in der Fotolithografie und verbringt einen Großteil seiner Arbeitszeit in den Reinräumen des Instituts auf dem Erlanger Hightech-Campus der FAU. Den größten Reinraum unterhält das Fraunhofer IISB gemeinsam mit dem benachbarten Lehrstuhl für Elektronische Bauelemente. Schon winzig kleine Staubpartikel können zu defekten Bauteilen führen, daher wird die Luft im Reinraum permanent gefiltert und umgewälzt. „Wir tragen Overalls, Kopfbedeckungen, Handschuhe und Gesichtsmasken, damit wir unter gar keinen Umständen Partikel einschleppen“, fährt Kevin fort. Auch der Einsatz von Leuchten ist streng geregelt. Die Fotolithografie ist ein zentraler Prozessschritt bei der Herstellung von integrierten Schaltungen. Mithilfe von Belichtungsvorgängen werden auf einem Siliziumwafer strukturierte Fotolackschichten erzeugt. Um zu verhindern, dass sich der lichtempfindliche Fotolack unkontrolliert entwickelt, darf nur gelbes Licht ohne Blaulichtanteil den Arbeitsplatz erhellen. „Den Reinraum fand ich bei meiner Suche nach einem Ausbildungsplatz total abgespaced, darüber wollte ich unbedingt mehr erfahren“, wirft Nadine ein.
Das echte Silicon Valley liegt in der Metropolregion Nürnberg
Dass in der Fränkischen Schweiz das wahre Silicon Valley liegt, davon ist man in der Metropolregion Nürnberg überzeugt. Das Siemens Halbleiterforschungslabor war 1946 im Pretzfelder Schloss untergebracht worden und diente als Schauplatz für eine bahnbrechende Erfindung, die die Herstellung von Halbleitern ermöglichte und damit die Ära der Mikroelektronik einläutete. Mitte der 1950er Jahre gelang hier die Herstellung von einkristallinem Reinstsilizium. Aus dieser Historie heraus hat sich in der Metropolregion Nürnberg ein technologisch-wissenschaftliches Netzwerk an Unternehmen und Forschungseinrichtungen rund um integrierte Schaltungen, Leistungselektronik, Halbleiter- und Nanotechnologie gebildet. Und so sind die heutigen Mikrotechnologinnen und Mikrotechnologen am Fraunhofer IISB live bei der Weiterentwicklung von Prozessen und Materialen für immer kleinere und leistungsfähigere Bauelemente dabei.
„Unser Beruf ist bei jungen Frauen sehr beliebt“, erzählt Stefanie Schickedanz und fährt fort: „Ein bisschen nerdig im positiven Sinn sind wir alle. Wir wollen die Technologien, mit denen wir arbeiten, grundsätzlich verstehen. Ein Problem um des Problems willen zu lösen, ist eine Motivation, die viele Menschen in Technik und Wissenschaft antreibt.“ – Nadine ergänzt: „Auch als Auszubildende werden wir oft gefragt, wie wir etwas lösen würden oder bekommen Teamaufgaben gestellt. Man fühlt sich von Anfang an ernst genommen.“
Arbeiten mit einem europaweit einzigartigen Maschinenpark
Stefanie hat ihre Ausbildung in der Industrie gemacht. Heute bildet sie in der Abteilung Aufbau- und Verbindungstechnik selbst Mikrotechnolog:innen aus. Den Wechsel an das renommierte Forschungsinstitut hat sie noch keinen Tag bereut. „Ich bin hier fachlich gefordert. Die Arbeit ist abwechslungsreich und oft sind nicht nur meine Fähigkeiten, sondern auch meine Kreativität gefragt. Programme und Präsentationen schreiben, Anlagen warten – es ist alles dabei.“
Stefanies Tätigkeitsgebiet zählt zur Mikrosystemtechnik und beschäftigt sich mit allen Prozessen für das Zusammenfügen von elektronischen und nichtelektronischen Mikrobauelementen zu einem funktionierenden System. In ihrem Erlanger AVT-Reinraum steht eine Anlagenflotte zur Verfügung, die nicht nur in der Metropolregion Nürnberg, sondern europaweit einzigartig ist. Schablonendrucker, Inkjetdrucker und Pressen für das Metall-Sintern und Löten, Draht- und Diebonder, Anlagen für die subtraktive und additive Fertigung und anderes mehr ermöglichen die produktionsnahe Fertigung von Prototypen und Kleinserien. „Wir Mikrotechnologen wissen genau, was in unseren Anlagen passiert, daher sind wir oft in Kundengesprächen dabei und können wichtigen Input zur Leistungsfähigkeit und Eignung von Prozessen geben“, erklärt sie. „Auch bei der Konzeption und Auslegung neuer Anlagen für zukünftige Anwendungen ist es sinnvoll, uns Techniker von Anfang an mit einzubeziehen“, ergänzt Kevin.
Zukunftstechnologien auf den Grund gehen
In ganz Europa werden derzeit Fertigungskapazitäten für die Chipfabrikation aufgebaut. Im Umkreis dieser Megafabriken entstehen – wie in der Metropolregion Nürnberg – Technologiecluster, in denen erfahrene Fachkräfte rund um die Themen Halbleiter, integrierte Schaltungen und Mikrosystemtechnik gesucht werden. Die Mikrotechnologie ist praktisch für jede Schlüsseltechnologie von Bedeutung und Fachkräfte sind heiß begehrt. Mit der Ausbildung haben Stefanie und Kevin eine fundierte Basis für ihre weitere Karriere gelegt und sind derzeit bereits auf dem Weg zur nächsten Stufe: Beide machen eine Weiterbildung als Elektrotechniker:in.
Und welche Innovationen wünschen sich die drei von der Zukunft? Woran muss geforscht werden? Was ist ihre berufliche Motivation? Stefanie: „Ich finde nachhaltige Energien grundsätzlich und Energiespeicher im Besonderen ultrawichtig.“ – Nadine: „Ich will in einem abwechslungsreichen Beruf arbeiten und Projekte mitgestalten.“ – Kevin: „Ich liebe die Arbeit in der angewandten Forschung, bei der ich an der Weiterentwicklung von Zukunftstechnologien aktiv mitwirken kann."
©Tim El-Helou, Europäische Metropolregion Nürnberg, Fraunhofer IISB