Das perfekte Match - (U)WBG Halbleiter und Informationstechnologie revolutionieren die Leistungselektronik
Die Wide-Bandgap (WBG)-Halbleitertechnologie und künstliche Intelligenz revolutionieren gemeinsam die Leistungselektronik.
Eine neue Klasse von intelligenten leistungselektronischen Systemen erschließt neue Leistungs- und Anwendungsbereiche. Die hohen Anforderungen der Systementwicklung wirken sich auf die gesamte Wertschöpfungskette der Leistungselektronik aus. Dies gilt insbesondere für Halbleitermaterialien und -bauelemente sowie für die Aufbau- und Verbindungstechnik. Extreme Betriebs- und Umgebungsbedingungen erfordern maximale Zuverlässigkeit und höchste Leistungsfähigkeit. Auf der PCIM Europe 2024 präsentieren das Fraunhofer IISB, das Fraunhofer ISIT und das Fraunhofer IMS gemeinsam die gesamte Wertschöpfungskette für die Leistungselektronik der nächsten Generation.
Vollelektrische Gesellschaft
In der Leistungselektronik vollzieht sich ein grundlegender Wandel. Zwei sehr dynamische Bereiche sind derzeit die Automobilelektronik und die Energietechnik. In beiden Anwendungsbereichen findet ein Wettlauf um immer effizientere, leistungsfähigere und kostengünstigere Leistungselektroniksysteme statt. Hinzu kommen erhöhte Anforderungen an die Zuverlässigkeit und Lebensdauer der elektronischen Bauteile und Komponenten.
Die Hauptaufgabe der Leistungselektronik ist die Umwandlung und Verteilung von elektrischer Energie mittels elektronischer Schalter zwischen verschiedenen Quellen, Energiespeichern und Verbrauchern, die elektrisch miteinander verbunden sind. Diese Aufgaben erfüllt die Leistungselektronik sowohl in stationären Anwendungen, wie z.B. der Einbindung erneuerbarer Energiequellen in das Stromnetz, als auch zunehmend in mobilen Anwendungen, wie z.B. in batterieelektrischen Fahrzeugen. Zentrale und entscheidende Komponenten sind dabei die elektrischen Umrichter, die beispielsweise als Ladegeräte, Spannungswandler oder Antriebsumrichter eingesetzt werden können.
Schneller - Stärker - Höher
Mit Antriebsleistungen von bis zu 1000 kW und Reichweiten von über 1000 km haben elektrische Antriebsstränge für Elektroautos ein neues Niveau erreicht. Die elektrischen Umrichter bewegen sich in der Megawattklasse. Damit dringt die Fahrzeugelektronik vehement in den Bereich größerer Antriebe vor und erschließt weitere interessante Anwendungsfelder. Herausragende Beispiele sind die sich abzeichnende Elektrifizierung in Schiffen und in der Luftfahrt.
Die Hybridisierung, also die Kombination von Verbrennungsmotoren oder Düsenantrieben mit Brennstoffzellentechnologie und Batteriespeichern, verspricht enorme Einsparungen bei Kraftstoffverbrauch und Emissionen. Neben Batterien wird auch Wasserstoff als Energieträger interessant. Die Wasserstofftechnologie eröffnet wiederum eigene technologische Möglichkeiten, wie z.B. die Konstruktion von kryogenen Umrichtern oder den Einsatz von supraleitenden Kabeln und Motorwicklungen. Allerdings stoßen die klassischen Silizium-Bauteile an ihre physikalischen Grenzen, so dass der Einsatz von Halbleitern mit großer Bandlücke wie Siliziumkarbid oder Galliumnitrid notwendig wird.
Durchstarten mit WBG
WBG-basierte Leistungsbauelemente bieten geringe Durchlassverluste, ermöglichen höhere Schaltfrequenzen und können hohe Ströme bei hohen Betriebsspannungen verarbeiten. Sie bieten hervorragende thermische Eigenschaften und sind für den Betrieb in einem breiten Temperaturbereich geeignet. Maßgeschneiderte Bauteil- und Prozesstechnologien wie VDMOS ebnen den Weg, um das Potenzial von WBG-Halbleitern für die Leistungselektronik voll auszuschöpfen.
Was die industrielle Anwendung betrifft, so haben die Halbleitertechnologien SiC (Siliziumkarbid) und GaN (Galliumnitrid) einen erheblichen Einfluss auf den Markt gewonnen. Allerdings gibt es auf Systemebene immer noch ungenutzte Vorteile in Bezug auf Kosten, Effizienz und Bauvolumen. Die derzeitigen Forschungsaktivitäten konzentrieren sich auf ein tiefgreifendes Verständnis der Bauelemente- und Materialeigenschaften, nicht nur auf der Bauelemente-Ebene.
Bei der Entwicklung von WBG-fähigen Modulen, insbesondere GaN- und SiC-Leistungsmodulen, müssen noch verschiedene technische Herausforderungen untersucht werden. Um eine hocheffiziente leistungselektronische Umwandlung mit schnellem Schalten zu realisieren, müssen parasitäre Effekte minimiert werden. In diesem Zusammenhang ist die räumliche und funktionale Integration der Halbleiterschalter mit der Treibersteuerung entscheidend.
Neue Herausforderungen für WBG-Leistungsmodule ergeben sich aus extremen Temperaturen wie kryogenen sowie Hochtemperaturanwendungen mit entsprechenden Anpassungen an die Gehäusetechnologie. Dementsprechend sind erweiterte Qualifizierungsmaßnahmen und Testverfahren erforderlich, die auch neuartige Ausfallmechanismen berücksichtigen. Die Luftfahrt ist mit ihren besonderen Umwelt- und Einsatzbedingungen einer der am schwierigsten zu erobernden Bereiche. Zuverlässigkeit ist hier der Schlüssel, denn die Ausfallraten müssen genau identifiziert werden und extrem niedrig sein. Und das alles bei einem hervorragenden Leistungsgewicht.
Leistung trifft auf Intelligenz
Ein weiterer Trend in der Systementwicklung ist offensichtlich: die fortschreitende Integration von Informations- und Kommunikationstechnologie.
Bordstromnetze für Flugzeuge und Schiffe sind in ihrer Komplexität und Größe mit dem lokalen Stromnetz einer Kleinstadt vergleichbar. Die Netze verbinden viele verteilte Quellen und Lasten über lange Kabel und übertragen gleichzeitig hohe Leistungen. Daher rücken die Netzstabilität und die Pufferregelung, d. h. die Steuerung und Synchronisierung von Generatoren und Umrichtern, immer mehr in den Mittelpunkt. Zusätzliche Funktionen für Überwachung, Management und Kommunikation sowie intelligente Fähigkeiten müssen in den Netzen implementiert werden: On-board Grids entwickeln sich zu Smart Grids. In der stationären Netztechnik, insbesondere bei Smart Grids oder lokalen Gleichstromnetzen, sowie bei Batteriesystemen für das Batteriemanagement ist dieser Wandel bereits seit einiger Zeit zu beobachten.
Die Verschmelzung mit der Datenverarbeitung erfordert eine zunehmende Integration von Komponenten der Digitaltechnik. In Treibern und Regelkreisen für elektronische Leistungsschalter werden längst Mikrocontroller und System-on-Chips eingesetzt. Auch Ansätze aus der klassischen Signalverarbeitung kommen zum Einsatz, z.B. zur Formung der Wechselstromwellenform, um Platz und materialintensive passive Filterkomponenten zu sparen. Ein Beispiel dafür sind auch modulare Multilevel-Konverter, die aus einer Vielzahl von frei konfigurierbaren Wechselrichterzellen bestehen und damit ein sehr breites Anwendungs- und Leistungsspektrum abdecken können.
Die perfekte Ergänzung
Eine neue Klasse von intelligenter Leistungselektronik mit zusätzlicher KI-Funktionalität, die sogenannte kognitive Leistungselektronik, wird derzeit weiterentwickelt. Diese "wahrnehmenden Systeme" sind mit Sensoren zur Erfassung verschiedener physikalischer Parameter und eingebetteter Elektronik zur Aufzeichnung und Analyse von Daten in Echtzeit ausgestattet. Elektrische Antriebe werden so zu integrierten intelligenten Systemen, die über ihren aktuellen Betriebszustand Bescheid wissen. Basierend auf Methoden des maschinellen Lernens können kognitive leistungselektronische Systeme Vorhersagen treffen und selbstständig auf interne und externe Einflüsse und Ereignisse reagieren.
Die hohen Anforderungen der Systementwickler betreffen alle Stufen der Wertschöpfungskette der Leistungselektronik. Schon heute zeichnet sich ab, dass die geforderten Leistungsmerkmale der neuartigen Leistungselektronik mit den bisherigen Halbleiterbauelementen und Systemeigenschaften nicht mehr erreicht werden können. Leistungshalbleiter auf der Basis von Materialien mit extrem breiter Bandlücke und andere innovative Bauelemente, wie integrierte Dämpfungsglieder oder aktive Schutzschalter, sind in der Pipeline. Gleichzeitig treibt der Übergang zu einer vollelektrischen Gesellschaft die Entwicklung leistungselektronischer Systeme auf ein neues Leistungsniveau.
Das integrierte leistungselektronische System - die Symbiose aus innovativen Leistungshalbleitertechnologien, Mikroelektronik und künstlicher Intelligenz - wird zur Realität.
PCIM Europe 2024 Nürnberg - Spitzenleistungen in der Leistungselektronik
Auf der diesjährigen Leitmesse für Leistungselektronik in Europa, der PCIM Europe 2024 in Nürnberg, präsentieren sich drei Fraunhofer-Institute auf dem Gemeinschaftsstand 6-368. Vom 11. bis 13. Juni 2024 präsentieren das Fraunhofer IISB, Fraunhofer ISIT und Fraunhofer IMS gemeinsam die gesamte Wertschöpfungskette der Leistungselektronik der nächsten Generation.
Die Besucher erwarten Exponate zu den Themen Wide-Bandgap- und Ultra-Wide-Bandgap-Halbleiter, (U)WBG-fähige Aufbau- und Verbindungstechnik, Kryo- bis Hochtemperatur, integrierte passive Bauelemente, aktive Sicherungskomponenten, fortschrittliche Sensorik, MEMS-Integration, ultrakompakte Stromrichter und modulare Multilevel-Konverter sowie elektrische Antriebe für Großantriebe.
PowerCare - Kognitive Leistungselektronik mit integrierter Ausfallsicherheit
Kernstück des Gemeinschaftsstandes und Überschneidung der Kompetenzen der drei Partnerinstitute ist der Ausstellungsbereich für das Projekt PowerCare. PowerCare nutzt ein neues Überwachungskonzept in Form eines miniaturisierten Motorcontrollers mit integrierter Echtzeit-Ausfallvorhersage (Edge AI), um anstehenden Wartungsbedarf im Voraus zu erkennen. Damit wird der Grundstein für eine neue Evolutionsstufe von intelligenten Leistungsmodulen gelegt. Gleichzeitig ermöglicht die Umstellung auf vertikale GaN-MOSFETs eine bisher unerreichte Leistungsdichte und Robustheit.
Im Rahmen des Projekts arbeitet das Fraunhofer ISIT an neuartigen, vertikalen GaN Trench MOSFETs und deren Verhaltensmodellen. Das Fraunhofer IMS steuert eingebettete KI-Modelle bei, die in einen PWM-Controller zur Ausfallvorhersage von Elektromotoren und GaN-Leistungshalbleitern integriert sind. Das Fraunhofer IISB demonstriert GaN-MOSFETs und eine in-telligente Motorsteuerung mit KI-basierter Zustandsüberwachung des Elektroantriebs. Für eine marktorientierte Entwicklung der kognitiven Leistungselektronik werden die Projektpartner Siemens AG, X-FAB Dresden GmbH & Co. KG, NXP® Semiconductors Germany GmbH und die TU Dortmund Unterstützung und wertvolles Praxisfeedback.